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Worum soll es gehen?

Wie alles begann

Im Grunde hat mich der Zusammenhang zwischen Algorithmen und menschlichem Denken schon immer interessiert.

Das lässt sich bis in die Schulzeit zurückverfolgen. So gehört es zu meinen frühesten Computererinnerungen, dass ich als 18-jähriger Schüler nach nur einem Schuljahr Informatik am Bundeswettbewerb Informatik teilgenommen habe. Ich bin zwar mangels Informatikkenntnisse gleich in der ersten Runde rausgeflogen („1 von 3 Aufgaben korrekt gelöst“), aber zumindest belegt die Teilnehmerurkunde, dass mich das Thema „Algorithmen“ schon damals umgetrieben hat.

Einige Jahre später gab es im Studium immer mal wieder Programmierprojekte, und während es meine Kommilitonen beispielsweise beim Entwickeln eines Computerspiels spannend fanden, Graphiken, Animationen oder Netzanwendungen zu implementieren, wollte ich eher wissen, wie man den Gegner so programmiert, dass er möglichst häufig gewinnt.

Und auch als Doktorand habe ich meinen ursprünglichen Plan, Protokolle für elektronische Bezahlverfahren zu entwickeln, nicht lange durchgehalten. Stattdessen handeln sowohl meine Diplom- als auch meine Doktorarbeit von Algorithmen zur Kryptoanalyse, also zum Brechen kryptographischer Verfahren.

Was ist daran interessant?

Ich glaube, dass mein Interesse an Algorithmen verschiedene Gründe hat. Zum einen ist das Entwickeln neuer Algorithmen einfach eine Art von fortgeschrittenem Rätseln: Man löst nicht nur die eigentliche Aufgabe, sondern versucht darüber hinaus, diese Methode so zu verallgemeinern, dass man alle Probleme dieses Typs auf diese Weise lösen kann. Tatsächlich kann ich nicht einmal ein Sudoku lösen, ohne mir dabei zugleich zu überlegen, wie ein allgemeines Sudoku-Lösungs-Verfahren aussieht, das nicht auf reiner Rechenpower basiert, sondern vielmehr das menschliche Lösungsverhalten abbildet.

Und damit komme ich zu meiner zweiten Motivation: Das Entwickeln von Algorithmen erlaubt es uns (zumindest manchmal), einen Blick in unseren eigenen Kopf zu werfen. Wie gehe ich eigentlich vor, wenn ich ein bestimmtes Problem löse? Normalerweise ist das ja ein eher unbewusster Prozess, aber wenn ich nun einem völligen Trottel (sprich: einem Computer) erklären soll, wie ich das mache, damit er es mir nachtun kann, muss ich mir meine eigenen Gedanken bewusst machen. Diesen Einblick in das eigene Denken finde ich spannend – sowohl als Selbsterkenntnis als auch, weil es die Möglichkeit zur Selbstverbesserung bietet.

Und damit bin ich bei der dritten Motivation angelangt: Die Algorithmik bietet uns einen Werkzeugkasten, mit dem nicht nur Computer programmiert werden können, sondern mit dem wir unsere eigenen Problemlösungsfähigkeiten steigern können. Tatsächlich sind Disziplinen wie „Critical Thinking“ oder „Entscheidungslehre“ genau solche Werkzeugkästen, deren Methoden stark an Algorithmen erinnern, und wer beispielsweise die Wikipedia-Einträge zu Problem Solving mit den typischen Überschriften von Algorithmik-Lehrbüchern vergleicht, der entdeckt dort viele Gemeinsamkeiten.

Algorithmisches Denken

Kurioserweise werden beide Gebiete – das menschliche Problemlösen als Teilgebiet der kognitiven Psychologie und das Computer-Problemlösen als Teilgebiet der Algorithmik bzw. Informatik – weitgehend unabhängig voneinander betrieben. So wird die Algorithmik für gewöhnlich mit einem ausschließlichen Fokus auf Computer gelehrt; kaum einmal wird aufgezeigt, dass die gleichen Techniken auch für das Lösen von Alltagsproblemen genutzt werden können. Und umgekehrt bin ich immer wieder mit aggressiver „Algorithmen sind böse“-Rhetorik konfrontiert, die meist etwas mit der Angst vor missbräuchlicher Nutzung von KI zu tun hat, dabei aber übersieht, dass die gleichen „bösen“ Algorithmen ja auch (bewusst oder unbewusst) von uns Menschen verwendet werden! Nicht ohne Grund ist die Patentierung von Algorithmen in vielen Ländern verboten, weil dadurch das menschliche Denken selbst beschränkt werden könnte.

Tatsächlich ist auch mir selbst dieser Zusammenhang lange Zeit nicht wirklich klar gewesen. Ich habe mich beruflich mit Algorithmen beschäftigt und in meiner Freizeit mit dem menschlichen Denken. Ich habe Bücher zum Selbstmanagement, zur Entscheidungslehre, zur Spieltheorie und zur kognitiven Psychologie verschlungen, bis ich auf die Überlegungen von Jeannette Wing zum „Computational Thinking“ (deutsch: Algorithmisches Denken) gestoßen bin, in dem diese Verbindung explizit hergestellt wurde. Und erst da ist mir der sprichwörtliche Kronleuchter aufgegangen.

Inzwischen habe ich gelernt, dass es seit den ersten Tagen der Computer immer Menschen (von Alan Turing über Marvin Minsky bis Donald Knuth) gegeben hat, denen diese Verbindung bewusst war. Nur muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich bisher nicht dazugehört habe. Ja, ich habe sogar jahrelang das Informatik-Grundlagenfach „Algorithmen und Datenstrukturen“ unterrichtet, ohne dass mir klar gewesen wäre, wo wir die Algorithmen, die wir dort als neu verkaufen, im Alltag schon längst benutzen. Zu meiner Entschuldigung kann ich eigentlich nur anführen, dass ich sehr viele Bücher zur Algorithmik gelesen habe, ohne dass die Verbindungen zum Problemlösen im Alltag jemals explizit gemacht worden wäre. Und auch unter meinen Studierenden ist bis heute noch keiner aufgestanden und hat gesagt: „Das ist doch alles trivial, das hätte man im wirklichen Leben doch ganz genauso gemacht!“ Und das, obwohl das tatsächlich hier und da angebracht gewesen wäre. Aber scheinbar bin ich nicht der einzige, der den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen hat.

Wohin soll die Reise gehen?

Ziel dieses Blogs ist es nun, die Verbindung – die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede – zwischen algorithmischem und menschlichem Denken herauszuarbeiten. Es handelt sich im Wesentlichen um ein Protokoll meines eigenen Lernens und Forschens zu diesem Thema, und da ich dabei erst am Anfang stehe, werde ich sicherlich immer wieder Erkenntnisse niederschreiben, die für Experten mit einem anderen Hintergrund (z.B. aus der Kognitionswissenschaft) selbstverständlich sind. Aber ich hoffe, dass ich mit der Zeit dazulerne und dass der eine oder andere Gedanke auch für den erfahrenen Leser neu sein wird. Bis dahin bitte ich um Geduld und kann zumindest schon einmal die Erkenntnis anbieten, dass auch Professoren längst nicht alles wissen…

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